OHNE BASIS
Die Postkarte zeigt das Wintergarten-Wohnhochhaus in seiner gesamten Höhe von 95 Metern: vom sockelgleichen Flachbau bis zum Doppel-M-Signet, das den Abschluss dieses Höhenakzents bildet. Mit dem Punkthochhaus, das in alle Himmelsrichtungen gleichermaßen als Orientierungspunkt wirkt, wurde 1974 die Neugestaltung des östlichen Stadtrings abgeschlossen, nachdem in den 1960er-Jahren verschiedene Neubauten wie die benachbarten Wohnzeilen mit Ladenzonen entstanden waren. Der Baukörper hat eine besondere Plastizität und die hellen Fassaden erhalten durch die roten Balkone der rund 200 Wohnungen markante Farbakzente. Den Sockel des Hochhauses bildete ein zweigeschossiger Flachbau für Kaufhalle, Poststelle, Milchbar und Kindergarten, der auch auf dem Flachdach Freiflächen für Spiel und Aufenthalt hatte. Der Schriftzug „Restaurant Stadt Dresden“ verweist auf die Gastronomie am Stadtring.
Als dritthöchster Bau prägt das Wintergarten-Hochhaus bis heute das Stadtbild Leipzigs. Die ersten fotografischen Erkundungen aus der Ferne verwiesen auf eine Konsistenz der Form. Jedoch erschien der Standort des Hochhauses in seiner unmittelbaren Wirkung aufschlussreicher, daher legt die Serie – anders als die Postkarte – den Fokus letztlich auf die Betrachtung des Ortes aus der Nähe. Hier führten die Beobachtungen zu neuen Erkenntnissen, denn die anfängliche Annahme zur Konsistenz wird hier widerlegt. Der ursprüngliche Flachbau am Fuß des Hochhauses existiert nicht mehr und es sind neue stadträumliche Situationen entstanden, die untersucht und zum Motiv der Serie wurden. Das oktogonale Punkthochhaus wurde freigestellt und seine unteren Fassaden neugestaltet. Während sich diese Ansichten stark ähneln, weist ihr jeweiliger Umraum deutliche Unterschiede auf. Angesichts der klaren Grundrissgeometrie des Baukörpers erarbeitet diese Serie eine systematische Aufnahme rund um die Erdgeschosszonen des Gebäudes und den kritischen Vergleich von historischer Sockelbebauung und heutigem Zustand. Undefinierte Zwischenräume, vereinzelte Betonblumenkübel, Park- und Mülltonnenplätze prägen den Stadtraum und zeigen ungeschönt eine Zustandsaufnahme dieses Ortes. Neben einem Hotel und Wohngebäude im rückwärtigen Bereich ist als neuer nördlicher Nachbar am Ring 2015 der Verwaltungsbau für die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft entstanden, die auch das Wintergarten-Hochhaus verwaltet.