SPURLOS
Die Mehrbildkarte von 1985 mit je zwei Außen- und Innenaufnahmen zeigt zwei verschiedene Gebäude. Zum einen den Komplex des Vertriebs- und Schulungszentrums, zum anderen ein Hochformat des Wohnheims. Beide Häuser stehen sich an der Hauptstaße (Gerberstraße) gegenüber und so sind sie auch fotografiert – von der anderen Straßenseite aus. Die Fotos der Innenräume sind ein leerer Hörsaal und eine Praktikumssituation von Lehrenden und Kursteilnehmern in einem Rechnerkabinett. Die Gestaltung der Ansichtskarte ist stark geprägt von roten, blauen und grünen Farben sowie einer strengen Anordnung der Bilder. Der sechsgeschossige Bau von 52 x 100 Metern hatte zwei große Lichthöfe als Atrien, die mit Bronzeplastiken von Gisela Richter-Thiele versehen zur Pausenerholung dienten. Auf der Südseite (Packhofstraße) befand sich der Haupteingang mit Spiegelsaal zur Präsentation der Produkte, ein Kino- und Veranstaltungssaal und ein Großrechenzentrum. An der langen Ostseite war die Betriebsgaststätte sowie ein Parkplatz vor dem Gebäude. An der Nordseite (Keilstraße) befanden sich Tiefgaragen, Werkstatt und Lager.
Die Funktion des Komplexes als EDV-Aus- und Weiterbildungszentrum wurde 2005 verkleinert und schließlich umgezogen. 2012 erfolgte der Abriss. Vom Raum dieser vergangenen Zeit zeugen nur noch drei der vier wieder aufgestellten Wandbilder im neuen Bankgebäude an jenem Ort. Das Internat wird weiterhin als Wohnhaus genutzt und besitzt die versetzten Betonstrukturelemente von Harry Müller (1968-70) an der Fassade. Von dem 1970 eröffneten Mehrzweckgebäude ist bisher nur diese Postkarte bekannt. Die fotografische Spurensuche war möglich durch das Finden der alten Aufnahmestandorte, einer Annäherung von außen, da sich Ort und Architektur im Inneren des Karrees völlig verändert haben. An einem wechselhaften Sommertag im Juli 2024 entsteht so eine Abhandlung der acht Achsen des Blocks, auch wenn das Gebäude selbst nur 3 Ecken ausfüllt. Die vierte Ecke und der Innenhof wird durch hohe weiße Stelen mit Kronen ausgefüllt, die zugleich historische Säulen und schattenspendende Bäume darstellen sollen. Die Fassaden des Neubaus sind durch Schwünge und Kurven geprägt. Die visuelle Umrundung geschah mit weitwinkligen Aufnahmen aus Nähe und Distanz, um sich auf das Neue einzulassen und den Umraum nördlich des Stadtzentrums einzubeziehen.
// Louis Volkmann, Fotografie + Recherche