denkmal:emotion
Mobilisierung. Bindung. Verführung, Jahrestagung des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V. in Bamberg mit Beitrag von Annette Menting
Denkmalpflege ist ein hoch emotionales und emotionalisiertes Thema, das wird jeder bestätigen, der sich in den Weiten des Feldes herumgetrieben hat. Schon Riegl weiß, dass der Moderne Denkmalkultus „längst Gefühlssache“ geworden ist. Dazu steht in einem gewissen Widerspruch, dass der Aufstieg der modernen Denkmalpflege mit ihrer „Verwissenschaftlichung“ einherging. Wenn FachvertreterInnen qua Amt „Werte“ von Denkmalen begutachten und wissenschaftlich begründen, hat Emotionalität, so scheint es, keinen Platz. Andererseits ist es eine Binsenweisheit, dass die Überlebensfähigkeit eines Denkmals sehr direkt davon abhängt, dass es emotionale Bindungen erzeugen kann und sich im Zweifelsfall pressure groups mobilisieren; das gilt auch für sogenannte ungeliebte Denkmale. Die Tagung sucht, Emotionen im Feld zu sondieren. Was bewegt wen und warum im Feld Denkmalpflege? Und wie? Wie bewerten wir diese Emotionen, wie gehen wir mit ihnen um? Annette Menting berichtete aus dem Forschungsprojekt; Publikation mit den Tagungsbeiträgen: Herbst 2021.
Abstract
Andere Spielstätten an Orten der Industriekultur. Ein Spannungsfeld von Emotion und Experiment.
Annette Menting
Für die Industriedenkmalpflege haben emotionale Bindungen besondere Relevanz. Erste Aneignungsprozesse brachliegender Industriebauten erfolgten durch Interessengruppen, die aus Jugendkultur, Kunst und Theater kamen. Die Atmosphäre der antibürgerlichen Räume kam dem Lebensgefühl und den Intentionen der neuen Nutzer entgegen. Die Räume der Industriekultur und die Relikte ihres ursprünglichen Gebrauchs förderten Improvisation und inspirierten zu neuen künstlerischen Experimenten – und sicherten somit ihren Erhalt. Die Umnutzungen als neue Spielstätten entstanden seit den 1970er Jahren wie in Bochum, Essen, Hamburg, Frankfurt und seit den 1990er Jahren kamen zahlreiche weitere hinzu. Die emotionale Wirkung dieser Orte und Räume auf Theaterleute und Publikum kommt insbesondere in den Aufführungen zum Ausdruck, die das Thema Industriearbeit auch künstlerisch einbinden. Dies zeigen Beispiele aus der Aufführungspraxis von Theater, Performance und Tanz. Ungeachtet der Bedeutung von Emotion, Atmosphäre und Szenographie soll auch die Frage diskutiert werden, inwiefern Denkmalschutz und Aufführungspraxis sich hierbei gegenseitig befördern oder auch zu Einschränkungen führen. Aus denkmalpflegerischer Perspektive interessiert dabei, ob die Umbaukonzepte eine Renovierung als ästhetische Aufwertung, eine Instandsetzung als denkmalgerechte Erhaltung, eine Restaurierung mit Teil-Wiederherstellungen oder ein Urban Reset für eine städtebauliche Integration verfolgen. Wie stehen Emotionen, kollektive Erinnerung und neue Identität im Verhältnis zur Umnutzung?
Der Publikationsband zur Tagung ist im Herbst 2021 als Print- und Online-Ausgabe erschienen.
Das Programm zur Tagung denkmal:emotion
Weitere Infos auf der Website Arbeitskreis Theorie und Lehre der Denkmalpflege