POST-SOZIALISTISCH
Die Ansichtskarte zeigt das neue Hauptpostamt am damaligen Karl-Marx-Platz als schwarzweiße Fotografie. An einem Nachmittag im Frühling 1965 warten viele Passanten auf die Straßenbahn am Leipziger Stadtring. Diese Menschen stehen symbolisch auch für die Arbeit, die in den zahlreichen Büros des neuen Funktionsbaus verrichtet wird. Die leicht erhöhte Perspektive aus Nordwesten blickt von den seitlichen Treppen der Oper auf die lange Hauptseite des Postamtes. Der enge Ausschnitt des Bildes lässt das Gebäude massiver wirken, als es in Wirklichkeit erscheint. Im klaren Frühjahrslicht ist der Baukörper mit seinen vorstehenden Formen, der dreigeteilten Gestalt, gut erkennbar. In der verglasten Fassade spiegelt sich teils die Umgebung, teils schauen wir in das zurückgesetzte Treppenhaus hinein. Durch den Standpunkt und wenig Vegetation ist die breite Ringstraße mit geparkten Autos und die ganze Form des Baus bis zur Traufkante sichtbar. Die Aluminium-Vorhangfassade war die erste an einem Stahlbetonskelettbau der DDR. Sie steht mit der Hauptpost in Dresden-Neustadt beispielhaft für die moderne Architektur der 1960er Jahre.
Die plastischen Buchstaben sowie die Stadtuhr von Paul Zimmermann an der Fassade treten als Details im Hintergrund zurück. Von der eigentlich repräsentativeren Ecksituation gibt es weniger klare Postkarten, weshalb die Auswahl auf diese Ansicht fiel.
Die fotografische Erkundung war hier eine zweigeteilte: Eine des inneren Zugangs und eine des äußeren Vorbeigehens. Die Fotografien des leeren und entkernten Hauses von 2015 zeugen von einem Zwischenzustand des Nicht-Mehr, aber auch des Noch-Nicht. Die kleine Auswahl zeigt die hell belichteten Treppenhäuser und Funktionsräume, die Schalterhalle für Pakete, einen repräsentativen Saal und eine moderne Uhr an einer Glasscheibe im Foyer. Als Verortung ein Blick von der Loggia am Grimmaischen Steinweg nach Westen zum Augustusplatz mit Gewandhaus und neuer Universität. Herausfordernd war die Situation als Platzbegrenzung sowie als stadtbildbestimmende Architektur. Als neue Aufnahmen fiel die Entscheidung auf zwei klassische über-Eck Perspektiven von beiden Enden der anderen Straßenseite. Damit fällt Verkehr und Vegetation weniger in den Vordergrund und der Gesamtkomplex bleibt sichtbar. Die Gliederung der erhaltenen Fassade wird nun durch einen neuen Dachaufbau beeinträchtigt. Nach der Sanierung steht das Gebäude nun neuen Nutzungen offen.
// Louis Volkmann, Fotografie + Recherche