In Annäherung an die Bauten und Räume, die auf der Grünau-Postkarte aus den 1980er-Jahren abgebildet sind, war das Erkennen und Zuordnen von besonderer Bedeutung. Eine Herausforderung bestand in der Verortung als einer von insgesamt acht Wohnkomplexen, die zwischen 1976 und 1988 in Grünau entstanden sind. Die Postkarte zeigt elfgeschossige Wohnbauten, fünfgeschossige Wohngebäude der WBS 70-Serie und Punkthochhäuser Typ PH 16 und die umgebenden Frei- und Gartenflächen. Nach intensiver Recherche gelang es, den Wohnkomplex WK 4 an der Stuttgarter Allee, das heutige Stadtquartier Grünau-Mitte, als Ort zu bestimmen. Dieser Identifizierungsprozess prägte die Wahrnehmung der heutigen Situation.
    
Der Versuch, die Perspektiven und Blicke der Mehrbildpostkarte exakt nachzustellen, konnte aufgrund veränderter Vegetation und hoher Bäume nicht bei allen Motiven umgesetzt werden. Allerdings war der Vergleich von damaliger und heutiger Situationen möglich: Der elfgeschossige Wohnbau mit erdgeschossiger Ladenzeile wurde teilweise rückgebaut und einige Punkthochhäuser wurden im Zuge des Programms Stadtumbau Ost abgebrochen. Nach wie vor ist Grünau in einer Transformationsphase: Einige Gebäude befinden sich in der Sanierung und zahlreiche Wohnbauten sind saniert, wobei die originäre Struktur der Großtafelbauwese sichtbar belassen ist. Ergänzende Neubauten sind seit den 1990er-Jahren entstanden wie das markante Alleecenter, das als zentrale Shopping-Mall stark frequentiert ist und gleichermaßen als Passage und als Aufenthaltsort genutzt wird. Die Aufnahme der Serie aus der Fußgänger-Perspektive fokussieren auf die Nutzungen des öffentlichen Raums: Während die historischen Bilder aus weiter Ferne und nahezu menschenleer aufgenommen sind, wurden hier bewusst Menschen, Materialisierungen und Details aus der Nähe aufgenommen, um den Stadtraum zu beschreiben. Ein besonderer Aspekt war der starke Kontrast zwischen der Dichte der Wohnbauten und der Weite der Freiflächen im Quartier. Da die Grünflächen in den Farbbildern der Ansichtskarte eine besondere Bedeutung haben, wurden die Freiflächen zum wichtigen Motiv dieser Serie. Insbesondere an der Kreuzung Stuttgarter Allee und Alte Salzstraße ist zu beobachten, dass große Flächenanteile versiegelt sind.